„Ein Vormittag“ von Friedrich Schiller – aus: Mitteldeutsche Zeitung vom 03.05.2023
„Ein Vormittag“ von Friedrich Schiller – aus: Mitteldeutsche Zeitung vom 03.05.2023
Wer am Wochenende in das Neue Theater Zeitz zur Uraufführung der einzigen Komödie von Friedrich Schiller kam, wurde reich belohnt. Eigentlich unfassbar. Da wird 236 Jahre nach Entstehung ein dramatischer Scherz des so berühmten Klassikers Friedrich Schiller ausgerechnet in Zeitz zum ersten Mal öffentlich aufgeführt und nur wenige nehmen davon Notiz. Da hätten eigentlich Pilgerscharen zumindest aus Leipzig, Dresden, Jena, Weimar und sämtlicher Schillerschulen Deutschlands anreisen müssen. Aber es muss sich wohl erst herumsprechen.
Nach Schillers überragenden Erfolgen mit „Kabale und Liebe“ und den „Räubern“ bot im April 1785 der wohlhabende Christian Gottfried Körner aus Leipzig/Dresden dem jungen Dichter großzügig Unterstützung und Logis an. Als Gegengabe überreichte Schiller dem Freund im Sommer 1785 die „Ode an die Freude“.
Die Komödie mit dem ursprünglichen Titel „Ich habe mich rasieren lassen“ entstand zwei Jahre später zu Körners Geburtstag in Dresden. Der drei Jahre jüngere Schiller wollte damit in recht ironischer Form aufzeigen, dass Körner, der eigene Texte für Schillers Zeitschrift liefern sollte, ewig nicht fertig wird. Die Schuld liegt hier natürlich nicht bei Körner, sondern als „Verursacher“ treten alle möglichen und unmöglichen Störenfriede auf. Sie geben der Komödie Entwicklung und inhaltlichen Verlauf.
Keineswegs zufällig erklingt gleich zu Beginn und am Ende des Theaterabends Beethovens Melodie auf Schillers „Ode an die Freude“. Den Text schenkte der Dichter seinem Freund Körner am 7. August 1785 zur Hochzeit. In dieser Erstfassung als Trinklied wurde er sogleich von Körner in Musik gesetzt und gesungen. Beethovens Vertonung von Schillers späterer Fassung aus dem Jahre 1824 machte ihn sodann unsterblich.
Wenn Körner auf der Bühne in herrlichstem Sächsisch seine Frau mit „Bis ruhig, mein Mäuschen“ anhimmelt, andererseits aber einen Studenten mit dem berühmten Spruch aus dem Götz von Berlichingen (Goethe, 1774) hinauskatapultiert, um ihn später aus Reue zum Essen einzuladen, werden schon die charakterlichen Extreme in der Person Körners erkennbar. Alle meinen es gut mit ihm, aber stehlen ihm die Zeit.
Die Aufführung überrascht durch die kurzweilige und humorvolle Inszenierung, die hervorragenden schauspielerischen Leistungen der sechs Akteure in siebzehn Rollen, die entzückenden Ballettmädchen aus der Rossnerschen Ballettschule mit ihren beiden Tanzeinlagen. Das Publikum dankte mit großer Begeisterung.